Körperliche Höchstleistungen
Wie beim Auto, stehen auch bei unseren S-Bahnen die Radsatzwechsel regelmäßig an. Verschleiß, Unfälle, Beschädigung oder Ölverlust sind mitunter Gründe für einen Tausch. So leicht wie beim Auto ist dies allerdings nicht, denn unsere Züge sind um einiges größer und vor allem schwerer. Steht ein Radsatzwechsel an, sind dafür drei bis vier Handwerker:innen nötig. Da hier voller Körpereinsatz erforderlich ist, arbeitet das Handwerker:innen-Team immer im Wechsel. Beim heutigen Radsatztausch stehen Josip, Boris, Arben und Demirel in den Startlöchern.
105 Tonnen in die Höhe
Zu Beginn muss erstmal der Zug von der Oberleitung getrennt werden. Safety first! Erst dann lösen die vier mit großen Akkuschraubern den Radsatz. Das allein dauert rund drei Stunden. Als alle Schrauben gelöst sind, hören wir ein lautes: „hoch!“. In diesem Moment wird die 105 Tonnen schwere S-Bahn auf einen Meter angehoben. Ziemlich spektakulär, so eine fliegende S-Bahn. Mit großem Respekt gehen wir ein Stückchen zur die Seite und beobachten die vier aus sicherer Entfernung. Mit einem großen Hammer schlagen sie nun die Schrauben heraus, um die sogenannten Federpakete und Notanschläge zu lösen. Wobei eine der Schrauben ca. 20 Zentimeter lang ist – um die Dimensionen zu verdeutlichen.
Ohne Gabelstapler geht nichts
Dann ist es soweit, der Radsatz ist vollständig gelöst und kann auf den Gleisen unter der S-Bahn herausgerollt werden. Tragen oder gar mit den Händen rausheben geht nicht, so ein Radsatz wiegt nämlich eine Tonne. Draußen angekommen, kommt der Gabelstapler zum Einsatz. Während einer der Mitarbeitenden mit dem Gefährt anrückt, befestigen die anderen drei Handwerker Lastenbänder am Radsatz und an den Gabeln des Staplers. Vorsichtig wird dieser nun aus dem Gleis gehoben und durch einen neuen Radsatz ersetzt. „Den alten Radsatz schicken wir zur Aufbereitung zurück in das DB-Lager nach Kassel“, erklärt uns Christian.
Jetzt wird alles wieder montiert
Nun läuft alles wie zuvor, nur eben in umgekehrter Reihenfolge. Der neue Radsatz wird von Josip, Boris, Arben und Demirel wieder unter die S-Bahn gerollt. Dann montieren die vier wieder die Federpakete, Notanschläge und den Radsatz. Im Anschluss wird das Getriebeöl aufgefüllt, die Elektronik angeschlossen und die letzten Einstellarbeiten absolviert. Das dauert erneut rund drei Stunden. Wir sind ganz begeistert von der Dynamik der vier. Ohne große Absprachen gehen die Griffe der Handwerker ineinander über.
Check, check ...
Wenn alles richtig eingestellt ist, werden die Sicherheitsvorkehrungen und die Hebestraße entfernt. Bedeutet: Die Oberleitung wird wieder freigeschaltet, so kann der Zug wieder mit Strom versorgt werden. Mithilfe der sogenannten Impedanz-Messung wird nun der Widerstand in der Wechselstromtechnik gemessen. Es wird also kontrolliert, ob die elektrische Verbindung zwischen Fahrzeug und Schiene einen entsprechend niedrigen Widerstand aufweist und die Betriebsstromrückführung somit sicher gewährleistet ist. Anschließend gibt es den ersten Bremscheck im Stand. Das ist wieder ganz ähnlich zu unserem Auto. „Passt alles“ hören wir die Experten rufen. Bedeutet: Nun kann ein Auftrag für eine Probefahrt erteilt werden.
... und check
Dafür ist immer ein Lokführer oder eine Lokführerin in Bereitschaft. Diesmal ist Raphaela vor Ort und fährt mit einem der Mechaniker in einer Leerfahrt bis nach Holzkirchen. Als die beiden zurückkehren, wird noch ein letzter Check in der Halle durchgeführt. Analog zum Auto müssen die Radmuttern nach einigen Kilometern Fahrt nochmals nachgezogen werden. Dann geben die vier ihren Zug wieder für die Strecke frei. Dank Josip, Boris, Arben, Demirel und vielen weiteren Kolleg:innen im Werk läuft die S-Bahn wieder rund!