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Ein Besuch im Werk Nürnberg: Wo die Züge ihre Runderneuerung bekommen

Donnerstagmorgen, 10:00 Uhr, Ankunft im DB Regio Werk Nürnberg-Dürrenhof. Hier erwartet uns heute ein ganz besonderes Highlight. Wir dürfen drei der letzten Münchner S-Bahnen des Typs ET423 begutachten, die hier modernisiert werden, und hautnah bei den Arbeiten dabei sein. Ausgerüstet mit einem Sicherheitshelm öffnen sich uns die Tore des Werks. Aus allen Ecken der Halle können wir geschäftige Betriebsamkeit vernehmen. In der Halle befinden sich im Moment nur die drei unmodernisierten S-Bahnen und die sind alle in ganz unterschiedlichen Stadien des Umbaus: Eine Bahn ist noch nicht betretbar, da der Boden gerade ganz frisch erneuert wurde. Die Zweite ist bereits ein wenig weiter, hier strahlt der neue Fußboden uns schon an, sonst erinnert aber noch nicht viel an den Innenraum, wie wir ihn gewohnt sind. Kabel hängen von der Decke, Verkleidungen und Sitze sind noch nicht eingebaut – hat noch ein wenig den Charme einer Raumstation finden wir. Und S-Bahn Nummer drei ist so gut wie fertig, hier fehlen nur noch Kleinigkeiten. Das alles wissen wir von Markus, er ist Leiter von FZI-Produktionssystem und Qualität der DB Fahrzeuginstandhaltung und selbst großer Fan der Münchner S-Bahn. Von ihm bekommen wir heute für euch diese ganz besonderen Einblicke.

Entkernter Innenraum eines ET423

Ein Herz für S-Bahnen

ET423 während der Modernisierung im Werk in Nürnberg

Schmunzelnd erzählt uns unserer Gastgeber erst einmal, dass er privat schon gar nicht mehr „einfach nur S-Bahn fahren“ kann: „Immer wenn ich meine Kinder in München besuche und wir S-Bahn fahren, dann gucke ich ganz genau hin: Wie schaut der Boden aus, wie lange ist die Bahn schon in Betrieb? Da komm ich auch nicht mehr raus.“ Dabei arbeitet Markus gar nicht bei der S-Bahn München direkt, sondern für die DB Fahrzeuginstandhaltung. Während das S-Bahn eigene Werk in München Steinhausen vor allem für Wartungs- und fortlaufende Instandsetzungsarbeiten für den laufenden Betrieb ausgelegt ist, kommen für ein solches Modernisierungsprojekt der Superlative die Spezialisten der DB Fahrzeuginstandhaltung in Nürnberg ins Spiel. Ihr Werk in Nürnberg ist das einzige Werk in Bayern, das sich auf die sogenannte „schwere Instandhaltung“ spezialisiert hat.

Wir sind ganz nah dran, wenn aus alt neu wird

Direkt vor uns steht jetzt die letzte unmodernisierte S-Bahn, die noch hier in Nürnberg erneuert werden muss. Von außen strahlt sie schon in frischem rot-weißen Lack, aber innen ist sie noch komplett entkernt. Direkt dahinter steht schon die nächste S-Bahn auf dem Gleis. Hierbei handelt es sich um die vorletzte S-Bahn, die Nürnberg in Richtung München verlassen wird – dann modernisiert. Wir haben Glück und dürfen mal reinschauen in den Zug. Für uns S-Bahn Fans ist das ein ganz besonderer Moment, denn sowas bekommen sicher nur wenige Kolleg:innen jemals zu Gesicht. Von innen erinnert fast nichts an unsere Münchner S-Bahn, wie ihr sie kennt. An den Seitenwänden sieht man die Isolierung, überall sind die Kabel offengelegt und der Boden ist mit schwarzen Schutzmatten bedeckt. Aber viele fleißige Hände arbeiten daran, dass sich das bald ändert. Auf der Leiter neben uns wird gerade die Elektromontage fertiggestellt, ein anderer Mitarbeiter verbaut die Deckenhalterung. Markus erzählt: „Das ist das Lieblingsprojekt vieler Mitarbeitenden hier, und das merkt man daran, mit wie viel Engagement und Enthusiasmus alle bei der Sache sind.“

Hunderte von Menschen machen die Modernisierung überhaupt erst möglich

Hier am Standort Nürnberg arbeiten insgesamt 850 Mitarbeiter aus über 60 Ländern und jede der 102 S-Bahnen, die hier renoviert wurden, ging durch etwa 200 Hände, bevor sie die Werke wieder verlassen hat. Von Lackierer:innen über Schlosser:innen, Fußboden-Expert:innen bis hin zu Elektriker:innen sind meist mehr als 100 Arbeitskräfte pro S-Bahn an den Modernisierungsarbeiten beteiligt. Wahnsinn, oder? Kann man sich gar nicht so richtig vorstellen, wenn man dann in der fertigen S-Bahn sitzt und zum nächsten Wochenendausflug fährt … Seit 2018 wird hier Montag bis Freitag rund um die Uhr in drei Schichten an der Modernisierung der S-Bahn Flotte gearbeitet. 

Zusammenarbeit über Stadtgrenzen hinaus

Insgesamt werden mit den drei Zügen, die gerade noch im Werk stehen, dann 238 S-Bahnen komplett umgebaut sein. 102 davon in Nürnberg. Und was ist mit den anderen 136 Zügen passiert? Die legen tatsächlich einen noch weiteren Weg zurück. Der Rest der Flotte wird nämlich im Schwesterwerk in Hagen umgebaut. Markus erklärt: „Wir hier in Nürnberg und das Werk in Hagen sind auf schwere Instandsetzung genau dieses Zugtyps spezialisiert.“ Ohne das Werk in Hagen wäre das gesamte Projekt nicht so schnell zu stemmen, daher haben sich die Werke zusammengetan und können das Mammut-Projekt in diesem Herbst nach drei Jahren erfolgreich beenden.

Umweltfreundlich und komfortabel – eure neue S-Bahn

Wir gehen weiter in den dritten und letzten Zug, der uns heute im Nürnberger Werk gezeigt wird. Hier erkennt man die S-Bahn in ihrem neuen Gewand schon sehr gut wieder. Sechs Wochen Modernisierungsarbeit waren dafür nötig. Zunächst wurden die Züge im Werk Hasenbuck – auch hier in Nürnberg – entkernt und mechanisch modernisiert. Dann findet hier im Werk Dürrenhof der Fußbodenaufbau statt, die elektrischen Einrichtungen und das gesamte Innenleben werden eingebaut. Danach schaut der Zug optisch fertig aus, genau so sehen wir ihn jetzt hier: Großzügige Eingangsbereiche, Familienbereiche, viel Platz für Gepäck und eine LED-Beleuchtung, die die Züge in ein freundliches Licht taucht und gleichzeitig dafür sorgt, dass die S-Bahn durch geringeren Stromverbrauch umweltfreundlicher wird.

Übrigens ...

S-Bahn Innenraum ohne Fahrgäste

Auch WLAN gibt’s dank Modernisierung dann in jedem Zug, damit ihr auch unterwegs immer gut vernetzt seid – und zum Beispiel via Instagram und Facebook unsere Ausflugstipps ins Münchner Umland abrufen könnt. Was uns bei unserem Besuch im Werk in Nürnberg allerdings nicht aufgefallen wäre, wenn es uns keiner gesagt hätte: Die Sitze sind gar nicht neu, es sind die aus dem unmodernisierten ET423, halt nur generalüberholt, sandbestrahlt und neu bezogen. Sieht brandneu aus, ist aber nachhaltig wiederverwertet. Ebenfalls wiederverwertet wurden unter anderem die Deckenteile der S-Bahn und die Dämmmaterialien. Nichts wegwerfen, was man noch benutzen kann, auch das ist Klima- und Umweltschutz.

Die S-Bahn kommt wieder hoam

Ein Mitarbeiter des Werks in Nürnberg

Die fast fertig umgebaute S-Bahn wird nun bald das Werk in Richtung München verlassen. Davor gibt es noch eine Abnahme mit der S-Bahn München als Auftraggeber. Passt alles? Dann ist es endlich soweit, der fertige Zug wird von einem/einer unserer Triebfahrzeugführer:innen abgeholt und zurück nach München überführt, sodass ihr schon am darauffolgenden Tag mit dem brandneuen, roten Schlitten durch das Münchner S-Bahnnetz fahren könnt. Langsam rückt das Projektende in greifbare Nähe. Wir können uns vorstellen, dass das für Markus und alle, die an diesem Riesenprojekt Anteil hatten, ganz schön erleichternd ist. Oder? „Also ich persönlich bin schon auch traurig. Ich hab‘ das Projekt total lieb gewonnen. Immerhin hab‘ ich die S-Bahnen über einen so langen Zeitraum hier jeden Tag auf der Arbeit gesehen. Das fehlt dann natürlich erstmal.“ In ein paar Wochen wird auch die heute noch komplett entkernte S-Bahn modernisiert sein und genauso nagelneu aussehen wie der Zug, in dem wir gerade stehen. Markus wird übrigens bald seine Kinder mal wieder in München besuchen. Und natürlich auch mit der S-Bahn fahren. Dann wird er, da sind wir uns sicher, direkt darauf achten, ob im modernisierten Zug alles paletti ist.

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