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Vorreiter S-Bahn München – Ein Interview mit Heiko Büttner

Dass bei der S-Bahn momentan viel passiert, ist nicht zu übersehen. Seit Juli 2018 fahren modernisierte Züge durch München und auch an der 2. Stammstrecke wird mit Hochdruck gearbeitet. Was es mit der Fahrzeugmodernisierung auf sich hat, hat uns Heiko Büttner, Vorsitzender der Geschäftsführung der S-Bahn München, im Interview verraten.

Geschäftsführer der S-Bahn in seinem Büro
Blick in den Innenraum der S-Bahn

Die S-Bahn München baut derzeit im Auftrag des Freistaats ihre komplette Zugflotte um. Welche maßgeblichen Faktoren haben diesen Umbau ausgelöst?

Heiko Büttner: „Das war ganz klar das dynamische Bevölkerungswachstum der Stadt München und die damit einhergehende Wachstumsgeschichte der S-Bahn München. Wir haben mehr Fahrgäste als jemals zuvor in einem System, das einst für 250.000 Fahrgäste am Tag geplant wurde. Derzeit transportieren wir aber bis zu 950.000 Menschen täglich. Das hat natürlich auch Folgen für die Fahrgäste. Daher haben wir uns diese Geschichte zunächst aus ihrer Perspektive angeschaut und danach aus betrieblicher Sicht. Diese Themen sind dann zusammengeflossen und ins Modernisierungskonzept für den Umbau der Züge eingegangen."

Wann ist die Grundsteinlegung der Modernisierung gewesen und wie ist der Prozess verlaufen?

Heiko Büttner: „Beschlossen wurde die Modernisierung am 16.12.2017, als wir den Übergangsvertrag mit der Bayerischen Eisenbahngesellschaft (BEG) unterschrieben haben. Die BEG plant, finanziert und kontrolliert den Schienenpersonennahverkehr im Freistaat. Aber der Startpunkt war schon deutlich früher – etwa zwei Jahre vor Inbetriebnahme des ersten modernisierten Zuges, Mitte Juli 2018. Die Planung des Modernisierungsprozesses war in dieser Form einzigartig. Von Anfang an waren nämlich nicht nur die BEG und die S-Bahn München beteiligt. Mit der Firma Neomind wurde gleich zu Beginn auch das Thema Design mitgedacht, zudem waren Fahrgastverbände tief involviert, um die wachsenden Bedürfnisse der Fahrgäste bestmöglich zu bedienen."

Geschäftsführer Heiko Büttner an seinem Arbeitsplatz

Gab es während dieser Findungsphase auch nationale oder internationale Vorbilder?

Heiko Büttner: „Selbstverständlich haben wir uns mit anderen Metropolen beschäftigt, und sie als Inspirationsquellen genutzt. Auf internationaler Ebene haben wir uns insbesondere in Asien angeschaut, wie der Verkehr abgewickelt wird und Innenräume gestaltet werden."

Was waren die größten Herausforderungen in einem solch aufwendigen Modernisierungsprozess?

Heiko Büttner: „Zum einen das ganze Engineering der neuen Features. Denn Eisenbahnfahrzeuge sind bis zum heutigen Tage nicht modular aufgebaut, sodass für jede Änderung sowohl die Dach– also auch die komplette Fußbodenkonstruktion aus- und wieder neu eingebaut werden muss. Und jeder Zug, der modernisiert wird, kann in dieser Zeit keine Fahrgäste befördern. Das erfordert gerade bei Serienumstellungen planerische Höchstleistungen. Eine andere Herausforderung ist es, Lieferanten für die Materialien zu finden, die unseren Ansprüchen bei der Qualität und Flexibilität gerecht werden. Alleine einen Bodenbelag herzustellen, der dieser unglaublich hohen Inanspruchnahme standhält, ist ein kleines Meisterwerk."

Eine Gruppe aus mehreren Personen sitzt in der Familienecke in der S-Bahn

Was wird eigentlich alles modernisiert?

Heiko Büttner:  „Die 2. Stammstrecke ist natürlich ein Leuchtturmprojekt, um das zunehmende Fahrgastaufkommen zu bewältigen. Unser S-Bahn System ist an der Kapazitätsgrenze angelangt. Wir brauchen aber auch eine äußerst leistungsfähige Flotte. Fest steht, dass eine neue Generation an Fahrzeugen erst mit der 2. Stammstrecke sukzessive eingeführt wird und die aktuelle ablöst. Bis dahin haben wir aus der vorhandenen Flotte mit dem Modernisierungsprojekt das Beste rausgeholt. Wichtig war uns zum Beispiel eine zeitgemäße Fahrgastinformation in den Zügen. Das Sicherheitsempfinden und der Reisekomfort wurden durch neue Licht- und Platzkonzepte erhöht. Zudem war entscheidend, die Kapazität der Fahrzeuge besser auszuschöpfen und die Betriebsstabilität durch einen besseren Passagierfluss zu erhöhen. Bislang kam es häufig zu Verzögerungen beim Ein- und Ausstieg. Das wollten wir ändern. Dafür haben wir die Anzahl der Sitzplätze von 192 auf 166 je Fahrzeug reduziert, und zwar am Einstiegsbereich. Dies bringt zwei enorme Vorteile: schnellere Haltezeiten an den Stationen durch einen besseren Ein- und Ausstieg, und damit mehr Pünktlichkeit. Zudem steigert es die Kapazität der Bahnen um rund 12 Prozent. Davon profitieren alle Fahrgäste. Wir rechnen damit, dass die neue Flotte bis zu 1 Millionen Menschen täglich transportieren kann – wenn die 2. Stammstrecke kommt, wird sich das nochmal deutlich erhöhen."

Wir holen mit dem Modernisierungsprojekt aus der vorhandenen Flotte das Beste raus.

S-Bahn am Bahnsteig

Heiko Büttner, Geschäftsführung S-Bahn München

Wird die Modernisierung einer Zugflotte in Zukunft weniger ein Projekt sein, als vielmehr ein kontinuierlicher Prozess?

Heiko Büttner: „Es wird immer ein Projekt sein, aber die Frage ist, in welchen Zyklen. Und die werden in Zukunft häufiger und schneller werden. Bei der Bestellung von Neufahrzeugen werden wir gemeinsam mit der BEG darauf achten, dass diese modular aufgebaut sind. Das erlaubt uns, in Zukunft viel häufiger und schneller auf die rasante Entwicklung der Technik und IT zu reagieren, und an unsere Fahrgäste weiterzugeben."

Dreiersitzgruppe in der S-Bahn

Alles wird bei der S-Bahn also schneller, schöner, weiter. Werden die Fahrkarten dann auch teurer?

Heiko Büttner: „Nein, im Gegenteil. Gerade wurde im Münchner Verkehrsverbund (MVV) eine Tarifstrukturreform beschlossen, die eine Preisreduktion von durchschnittlich 8 % forciert. Zudem hatten wir zuletzt eine Nullrunde, was Tariferhöhungen im MVV betrifft."

Vielen Dank, Herr Büttner, für das interessante Gespräch!

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