Türen öffnen mit Ehrenkodex
Montagmorgen, 9:20 Uhr am Ostbahnhof: Christian fährt gerade die S8 aus Herrsching kommend. Es geht Richtung Flughafen. Er öffnet uns die Tür zu seinem Führerstand. Zusammen mit dem Teamleiter der Leitstelle, Marcel, steigen wir schnell ein, denn die geplante Haltezeit jedes Zuges beträgt nur 30 Sekunden. Christian drückt einen roten Knopf, nun schließen sich die Türen. Ein prüfendender Blick über den Bahnsteig, dann legt er den Fahr- und Bremshebel nach vorne und die S-Bahn setzt sich in Bewegung. Wir möchten wissen: Was passiert, wenn doch noch jemand angerannt kommt? Öffnet Christian dann noch einmal die Tür? „Wenn es die Zeit erlaubt, machen wir das. Vor allem wenn zum Beispiel noch eine Mutter mit Kinderwagen einsteigen will, das ist sowas wie unser Ehrenkodex“, erklärt Marcel. „Grundsätzlich ist es aber wichtig, dass wir den Fahrplan im Blick haben, sonst würde es zu immensen Verspätungen kommen. Außerdem wartet oft hinter uns schon die nächste S-Bahn.“
Wenn die Natur ruft: Gibt es in der S-Bahn Toiletten?
Während wir aus dem großen Panoramafenster auf die Strecke vor uns blicken und Bäume, Wiesen und Felder an uns vorbeiziehen, verstehen wir, weshalb die S8 eine der Lieblingsstrecken von Christian ist. „So einen Ausblick hast du bei einem Schreibtischjob nicht“, sagt er und lächelt. Wir reißen uns von dem Panorama los und blicken uns im Führerstand um. Der ist übersichtlich gestaltet und bietet genug Platz – nur eine Toilette sehen wir nirgendwo. Im Notfall also anhalten und ab in die Büsche? Von wegen! „Es gibt tatsächlich keine Toilette in der S-Bahn“, bestätigt Christian. „Daher gehen wir am besten immer vor oder nach der Schicht – zur Sicherheit. Zudem haben wir an fast allen Bahnhöfen WCs und an den Endbahnhöfen sogar Aufenthaltsräume mit Betten und Duschen für längere Pausen.“
Ich bin nach der Arbeit immer entspannter als davor.
Christian
Hochkonzentriert und doch entspannt
Christian fährt seit 2014 für die S-Bahn München. Wie viele andere Kolleg:innen, ist auch er ein Quereinsteiger. Heißt: Zuvor hat er als KFZ-Mechaniker und Friseur gearbeitet. Um seiner jungen Familie ein gutes Leben bieten zu können, wagte er damals die berufliche Veränderung und wurde Lokführer – seine Entscheidung hat er nie bereut. Die Lokführer:innen arbeiten in Schichten, erklärt er uns. Dabei kann jede:r seine Präferenzen angeben. „Ich arbeite am liebsten in der Frühschicht. Die startet um ca. 3:45 Uhr morgens und endet zwischen 12:00 und 14:00 Uhr.“ Ob sich das mit der Familie vereinen lässt? „Für mich klappt das absolut gut“, bestätigt er. „Aber es erfordert Flexibilität und natürlich das Verständnis des Partners oder der Partnerin.“ Während wir fahren, läuft weder Musik, noch benutzt Christian sein Handy. Keine Ablenkung, höchste Konzentration. „Das lässt mich persönlich mental zur Ruhe kommen“, erklärt er. „Ich bin nach der Arbeit sogar immer entspannter als davor.“ Christians Arbeit bereitet ihm Freude und gibt ihm nicht nur finanzielle Sicherheit. Mit vielen seiner Lokführerkolleg:innen versteht er sich prima: „Wenn es zum Beispiel um Schichttausch geht oder auch bei anderen Dingen: Wir helfen uns gegenseitig.“
Work-Life-Bahn-lance
Auch sonst sind Marcel und Christian Feuer und Flamme für den Beruf. „Als Lokführer:in bist du praktisch fast dein eigener Chef und arbeitest sehr selbständig. Abgesehen davon, dass es ein unbeschreibliches Gefühl ist, ein so großes Fahrzeug zu steuern.“ Ein zusätzlicher Aspekt, den Christian, Marcel und ihre Kollegen und Kolleginnen zu schätzen wissen: „Die S-Bahn München bietet viele Vorteile für uns Mitarbeitenden. Von Obst im Brotzeitraum über Sommerfeste bis hin zu Sport in der Freizeit wird echt viel geboten.“ Christian spielt schon seit Jahren in der Hobbyliga, beim bahninternen Fußballverein BSG Lokomotive München. Was die schönsten Momente im Arbeitsalltag eines Lokführers sind, wollen wir zum Schluss noch wissen. „Das sind definitiv die Momente, in denen die Fahrgäste sich bei uns bedanken, wenn sie am Führerstand vorbeigehen. Oder wenn die Kids uns mit 'nem breiten Lachen zuwinken“, erzählt Christian. Er erinnert sich auch an eine schöne Anekdote: „Einmal hat mich eine ältere Dame husten gehört. Und hat mir ganz fürsorglich einen Hustenbonbon durch das Fenster gereicht. Daran denke ich mich immer wieder gerne.“